12 Monate – 12 Mentorinnen: mit Annett Babel über straffällige Menschen, berufliche Wendungen und (Selbst)verantwortung.
Heute habe ich einen Termin in der Dienststelle des Landgerichts München. Das Haus liegt im schönen Schwabing, ein paar Schritte vom Nordbad entfernt. Ich treffe dort die Bewährungshelferin Annett Babel. Ich bin neugierig auf das Gespräch. Den Begriff Bewährungshelfer kennen die meisten, aber wer kennt einen persönlich oder weiß im Detail, wie der Arbeitsalltag in diesem Beruf aussieht? Als ich in der Elisabethstraße 79 ankomme, bin ich schon mal das erste Mal überrascht. Ich stehe vor einem Altbaugebäude, an dessen Fassade und Eingang nichts darauf hindeutet, dass man hier mit straffälligen Menschen zu tun hat. Also Ihr wisst was ich meine: keine Gitter, Sicherheits-Checks etc. Nachdem ich den Eingangsbereich betrete, bin ich zum zweiten Mal überrascht: Das könnte auch das Büro eines Startup Unternehmens sein: hell, gemütlich, es riecht noch nach Essen von der Mittagspause. Annette kommt mir entgegen und führt mich in ihr Büro, wo ich endlich meine Neugierde stillen darf.
Annett Babel ist hauptamtliche Bewährungshelferin am Landgericht München Bezirk 1 und Koordinatorin für die ehrenamtliche Bewährungshilfe am Oberlandesgericht München. Sie unterrichtet an der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern, Fachbereich Rechtspflege in Starnberg und ist nebenbei externe Supervisorin und Mentorin bei MOVE!
Arleta Perchthaler: Annett, wie würdest Du beschreiben, was Du genau beruflich machst?
Annett Babel: Ich begleite, unterstütze und kontrolliere straffällige Menschen, bei denen die Sozialprognose nicht so günstig ist. Menschen, die zu Strafen verurteilt worden sind. Eine Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren kann zur Bewährung ausgesetzt werden. Ob ein Verurteilter auf Bewährung einen Bewährungshelfer zugeteilt bekommt, hängt wie gesagt von der Sozialprognose ab. Die klassischen Situationen, wo das der Fall ist, sind z.B. Personen, bei denen eine Suchproblematik vorliegt, eine hohe Verschuldung oder eine Straffälligkeit, die sich schon seit der Jugend durchzieht. Oder auch Menschen, die nach zwei Dritteln der Strafe aus der Haft kommen. Ein Drittel wird ihnen zur Bewährung ausgesetzt und sie bekommen zusätzlich einen Bewährungshelfer. Das sind dann eben die Menschen, mit denen ich arbeite. Einen Bewährungshelfer kann man auch als Unterstützungspartner bezeichnen. Die Menschen, die wir betreuen, heißen Probanden – vom lateinischen Wort „probare“ – sich bewähren“.
Mein Arbeitsauftrag richtet sich erstens nach dem gesetzlichen Auftrag, zweitens nach dem richterlichen Beschluss. Der Beschluss legt fest, dass der Proband den Kontakt zum Bewährungshelfer zu halten und uns jeden Wohnungswechsel mitzuteilen hat, dann vielleicht so Sondergeschichten – gerade bei einer Suchterkrankung – dass er eine Therapie machen muss. Manchmal wird darin eine gemeinnützige Arbeit angeordnet – gerade wenn Tagesstruktur fehlt, im Fall der Arbeitslosigkeit. Arbeit und Struktur sind etwas Zentrales im Leben. Wenn sie nicht gegeben sind, ist oft die Gefahr, dass der Proband versucht, andere Quellen der Geldbeschaffung zu finden. Das sind also die Beispielthemen, die ich kontrolliere. Die richterlichen Anordnungen gehe ich in jedem Gespräch durch. Ansonsten kann der Proband mit mir über alles reden, aber er selbst entscheidet, ob er das will.
Es kommt vor, dass der Proband sagt: „Mei, Frau Babbel, es passt alles. Ich brauche eigentlich sonst niemanden“. Dann sage ich: „Wunderbar“. Und dann gibt es andere, die anfangen, über alle möglichen Aspekte ihres Lebens zu erzählen. Die hohe Kunst in meiner Arbeit ist, die Beziehung zu den Leuten aufzubauen. Denn im ersten Moment besteht sie aus widersprüchlichen Aufgaben: Helfen, begleiten und betreuen auf der einen Seite, kontrollieren auf der anderen. Das geht nur über Arbeit am Menschen, Arbeit mit dem Menschen, feinfühlig Wege finden, eine tragfähige Beziehung herzustellen.
AP: Kurz gesagt musst Du es hinbekommen, dass die Probanden Dir vertrauen.
Wer trägt die Verantwortung?
AB: Genau. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass der Proband die Verantwortung für seine ganzen Schritte trägt – ich kann ihn unterstützen, aber er muss sie alleine gehen. Beispielthema „abstinent leben“. Manchmal sitzen wir hier ewig und suchen gemeinsam nach Möglichkeiten, wie der Proband es schafft, stabil zu sein, nichts mehr zu konsumieren. Aber schließlich geht er hier raus und da endet meine Kontrolle. Ich begleite manchmal Wege, die nicht so erfolgreich sind. Die dann vielleicht irgendwann in einer möglichen neuen Verurteilung münden, einer neuen Haftstraffe. An dieser Stelle muss ich den Erfolg meiner Arbeit für mich neu definieren.
AP: Ich stelle es mir als eine große Herausforderung, sich da so zu distanzieren, zu sagen, die Verantwortung trägt der Proband, und die eigene Arbeit nicht abzuwerten, nur weil der Mensch wieder verurteilt wurde.
AB: Das ist fast ein lebenslanger beruflicher Lernprozess. Einerseits will ich empathisch und nah sein, dem Probanden zeigen, dass ich mich mit ihm freue, etwas begrüße oder unterstütze oder auch mal grantig oder verärgert bin. Andererseits aber ihn trotzdem immer wieder lassen. Mir immer wieder bewusst machen, dass ich den Menschen nicht retten, nicht aus seinem Sumpf herausziehen kann. Es gibt Lebensschicksale und Probanden, die ich jahrelang begleite, die mir natürlich sehr nah werden, wo ich manchmal auch am Wochenende am Überlegen bin, wie ich sie unterstützen kann. In diesem ganzen Kontext muss ich immer wieder schauen, wie ich eine gesunde Mischung aus Nähe und innerer Distanz aufrechterhalte.
Eine besondere Herausforderung bilden die sogenannten Hochrisiko Fälle – Stichwort Sexualstraftäter oder schwere Kapitalverbrechen. Hier hat man zusätzlich mit einem hohen gesellschaftlichen Druck zu tun, dazu beizutragen, dass es zu keiner Wiederholung kommt.
AP: Wie bist Du zu diesem unglaublich herausfordernden und nicht alltäglichen Job gekommen?
Vom Kindergarten zum Gefängnis
AB: Zuerst machte ich eine Ausbildung als Erzieherin und arbeitete einige Jahre im Kindergarten. Die Arbeit erfüllte mich sehr. Jedoch bin ich ein Mensch, der sich gerne weiterentwickelt. Im Kindergarten sah ich meine Möglichkeiten als sehr eingeschränkt. Mit meinem Fachabitur konnte ich entweder Religionspädagogik oder Soziale Arbeit studieren. Ich entscheid mich für das Zweite. Schon während des Studiums hatte ich die Idee, etwas ganz anderes als bisher zu machen. Also eher mal weg von diesem „behüteten“, „guten“, von Waldorf Pädagogik, heile Welt der Kindheit und so. Der ganze Bereich Resozialisierung im Studienprogramm kam mir sehr gelegen. Gefängnisse – das war das totale Kontrastprogramm zum Kindergarten, dadurch hatte es einen gewissen Reiz. Ich machte ein Praktikum im Gefängnis im Niederschönenfeld. Das erste Mal den Gefangen zu begegnen, zu erleben, wie komme ich da als Frau an, wie finde ich den Zugang zu diesen Menschen – das war sehr spannend. Mein Jahrespraktikum absolvierte ich hier an der Dienststelle, also im Bewährungshilfe Umfeld.
Bewährungshilfe ist kein Arbeitsfeld, welches in der breiten Masse bekannt ist. Wir sind eher verdeckt im Hintergrund, sind nicht gerne in der Öffentlichkeit wie Fernsehen oder Zeitung. Selten kommt es vor, dass jemand interviewt wird. Der Beruf war mir vor dem Studium also auch nicht bewusst präsent.
“Meine Entscheidung hatte ganz viel mit Figuren hier im Haus zu tun”
Meine damalige Anleiterin, die immer noch hier arbeitet, war eine blinde Bewährungshelferin. Durch das fehlende Sehvermögen hatte sie andere tolle Fähigkeiten. Davon konnte ich sehr profitieren. Das war eine unglaublich schöne Zeit für mich. Ich wurde stark gefordert und konnte ganz viel ausprobieren. Ziemlich schnell wurde mir klar, dass ich Bewährungshelferin werden will.
AP: Heißt das, dass das Vorbild Deiner Anleiterin für Deine Berufswahl entscheidend war?
AB: Ja! Meine Entscheidung hatte ganz viel mit Figuren hier im Haus zu tun. Bewährungshilfe entstand nach dem Krieg. Einer der Gründerväter hier in München war der vor 2 Jahren verstorbene Eduard. Die ersten Bewährungshelfer waren sehr geerdete Menschen, gestandene Leute, die eine Haltung zu den Dingen hatten und sich ganz stark mit ihrem Beruf identifizierten. Das waren Persönlichkeiten! Von dieser alten Bewährungshelfer-Riege habe ich sehr viel gelernt. Unter anderem: Wie entwickele ich eine Bewährungshelfer-Persönlichkeit? Das entsteht ja nicht von heute auf morgen! Oder wie trete ich bei Gericht auf? Wie führe ich mein eigenes Referat? Ich arbeite hier sehr selbständig und autonom. In dieser Hinsicht schaute ich mir viel von den alten Figuren ab. Sie begeisterten und faszinierten mich stark.
Nach meinem Studium gab es allerdings bei der Bewährungshilfe keine freie Stelle. Ich fing erstmal in Stadelheim in der Untersuchungshaft für Jugendliche an. Eine sehr wertvolle Erfahrung! In diesem spezifischen, geschlossenen, hierarchischen und durch Männer dominierten System durfte ich mich damit auseinandersetzen, wie ich als Person, als Frau hier hineinpassen kann und will. Auch dort spielten Vorbilder für mich eine Rolle. In diesem Fall waren es Sozialarbeiterinnen mit 20-30 Jahren Erfahrung in der Vollzugsanstalt. Es waren ziemlich abgebrühte, männlich dominante Frauen. Ich wollte aber nicht so werden. Daher, als nach 4 Jahren eine Bewährungshelferstelle bei Landgericht frei wurde, habe ich mich sofort beworben. Seitdem bin ich hier.
Einpendeln zwischen zwei Polen
AP: Kindergarten und Gefängnis – das waren zwei entgegengesetzte Pole, zwischen denen Du Dich einpendeln durftest. Glaubst Du, wenn Du am Anfang Deiner beruflichen Karriere nicht im Kindergarten gearbeitet hättest, hättest Du trotzdem den Weg eingenommen, den Du schließlich gegangen bist?
AB: Nein, ganz bestimmt nicht. Das war schon gut, dass ich dieses Sprungbrett hatte. Aber auch die Jahre im Vollzug waren wichtig für meinen weiteren Weg und meine späteren Entscheidungen. Ob mir ein Job liegt oder nicht, kann ich nur herausfinden, wenn ich ihn – zumindest kurz – gemacht habe. Erfahrungen helfen uns, Dinge einzugrenzen und für sich das Richtige für den jeweiligen Zeitpunkt zu finden. Das kann man nicht machen, in dem sich Tätigkeiten und Situationen nur vorstellt.
AP: Wie viele Probanden betreust Du parallel?
AB: Ca. 64 Personen. Meine Kollegen haben in der Regel so um die 90. Ich habe ca. 25% weniger, da ich das Thema Ehrenamt innehabe. Ich betreue seit vielen Jahren mit einer Kollegin die Gruppen für ehrenamtliche Mitarbeiter bei uns an der Dienstelle. Außerdem bin ich noch Koordinatorin für das Ehrenamt an Dienststellen des Oberlandesgerichts München. Jede Dienststelle hat lokale Ehrenamtlichen-Betreuer. Meine Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass das Thema Ehrenamt am OLG München gesamt gut läuft. Ich organisiere Fortbildungen für die Bewährungshelfer aus dem ganzen OLG, besuche die einzelnen Dienststellen, um zu schauen, wie läuft es dort, was brauchen sie, bereite Ehrenamtswochenenden, vernetze mich mit zwei anderen Koordinatorinnen aus Bamberg und Nürnberg, um Erfahrungen und Tipps auszutauschen. Wir haben eine sehr konstante Gruppe von Ehrenamtlichen, die sich im Tandem mit einem Hauptamtlichen um die Probanden kümmern.
AP: Heißt Tandem, dass man die Probanden dann immer zu zweit trifft?
AB: Nein, das muss nicht zwingend sein. Aber uns ist wichtig, dass die Hauptamtlichen immer im Bilde sind, wie es um die Probanden steht. Das hat auch viel mit Thema Sicherheit zu tun. Ich und meine Kollegin sind diejenigen, die schauen, dass die Ehrenamtlichen gut geschult werden, engmaschig an uns angebunden sind. Nicht zuletzt, damit wir unsere Ehrenamtlichen gut kennen und auf dieser Basis zuverlässig entscheiden können, welcher Ehrenamtliche könnte zu welchem Probanden passen. Das ist wichtig für eine nachhaltig funktionierende Betreuung.
AP: Werden am Landgericht aktuell Bewährungshelfer gesucht?
AB: Ja, tatsächlich, wir suchen aktuell ehrenamtliche Bewährungshelfer mit dem Schwerpunkt Schuldnerberatung. Fast alle unsere Probanden sind verschuldet. Das Thema Geld ist ein ganz zentraler Bereich, wo es auch ganz viel Unterstützung braucht: Vorbereitung für die Schuldner Beratung, Unterlagen sortieren, Erwägungen der Privatinsolvenz oder generell Umgang mit Geld…
AP: Wo kann sich ein Mensch melden, der sich als Bewährungshelfer bewerben möchte?
AB: Gerne direkt an mich per E-Mail an annett.babel@lg-m1.bayern.de oder telefonisch unter 089/5597-1262.
AP: Dein Aufgabenbereich ist sehr vielfältig. Wie kann man sich Deinen Arbeitstag oder Deine Arbeitswoche vorstellen? Hast Du jeden Tag ein Treffen mit einem Probanden? Wie läuft das?
AB: Ich weiß in der Früh nie, was mich am Tag erwartet. Zum Beispiel am letzten Montag. Morgens war eine Besprechung geplant. Montagmorgen ist eigentlich eher eine Zeit, um sich für die Woche warm zu laufen. Noch bevor ich zuhause aufgebrochen bin, bekomme ich einen Anruf von der Polizei, dass ein Proband von mir abgängig ist. Ich denke, oh ne, es ist gerade mal 9:00 Uhr und gleich so etwas. Aber dann laufe ich natürlich gleich auf Hochtouren. Ein Sexualstraftäter nach einer sehr langen Haft, mit umfangreichen Auflagen und Weisungen, Mitte 70 – die Ehefrau hat ihn als vermisst gemeldet. Sofort mache ich mir Gedanken: Was war im letzten Gespräch? Habe ich irgendeine Idee, wo er sein könnte? Gibt es da womöglich eine Beziehung außerhalb der Ehe, die ich nicht mitgekriegt habe? Besteht die Gefahr von neuen Straftaten? Muss man irgendwie irgendetwas einleiten? So ein Vorfall stellt natürlich alles auf dem Kopf und priorisiert den Tagesablauf um. So etwas passiert Gott sei Dank nicht jeden Tag. Und in diesem Fall ist es auch gut ausgegangen – er kam eine Stunde später nach Hause. Es könnte sein, dass da eher eine Demenz in Anflug ist – ich habe mit ihm telefoniert und er war etwas wirr im Kopf, da weiß ich noch nicht, was sich da gesundheitlich weiter entwickelt. Grundsätzlich habe ich feste Zeiten für Gremienarbeit, Besprechungen, Intervisionsgruppen, Ehrenamtlichen-Termine, Termine mit den Probanden. Auch für unsere Probanden sind feste Zeiten wichtig. Sie werden dahin erzogen, ihre Termine einzuhalten, weil auch im Jobcenter, beim Wohnungsamt, Gesundheitsamt, beim Arzt etc. mit Terminen gearbeitet wird.
Manchmal besuche ich rückfällige oder erneut verurteilte Probanden auch im Gefängnis.
“Ich habe ein Herz für Menschen am Rande der Gesellschaft“
AP: Als ich Dich erstes Mal gesehen habe, sah ich vor mir eine Frau, die eindeutig ihren Job liebt! Was magst Du besonders an Deiner Arbeit?
AB: Ich habe ein Herz für Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Das klingt ja schon fast etwas philosophisch… Aber der Job geht ja nur mit einer gewissen Liebe zu diesem Klientel. Es ist im Alltag nicht immer schön. Manche Menschen, deren ich begegne, sind psychisch krank, manche sind richtig ungepflegt, stinkend, ungewaschen. Aber ich habe ein Herz für sie. Abgesehen davon es ist ein Geschenk, in das Leben anderer Menschen hineinschauen zu dürfen.
Ich liebe auch meine Autonomie. Ich kann hier sehr selbständig arbeiten. Ich führe mein Referat selber, ich mache meine Termine selber, wenn ich sage, heute um 16:00 Uhr machen wir ein Interview, dann machen wir das. Natürlich habe ich auch viel Verantwortung.
Und ich mag diese unglaublich bunte Vielfalt, die dieser Beruf mit sich bringt. Unter meinen Probanden ist kein Mensch gleich, auch bei einer ähnlichen Geschichte kommen neue Varianten rein, es ist sehr abwechslungsreich. Ich kann mal den Schwerpunkt auf Jugendliche setzen, mal auf Frauen, ich kann den Schwerpunkt auf Sucht oder psychisch Kranke setzen… Vor ein paar Jahren habe ich eine Supervisionsausbildung gemacht und bin seitdem externe Supervisorin. Weiter habe ich eine nebenamtliche Lehrtätigkeit zum Thema Schlüssel-Kompetenzen an der Fachhochschule für die Rechtspfleger in Starnberg.
Das Thema Weiterentwicklung ist für mich persönlich sehr wichtig. Ich brauche immer wieder etwas Neues, eine Abwechslung. Bisher habe ich hier immer die Möglichkeiten gefunden, mich weiter zu entwickeln. Der nächste Bereich, den ich im Visier habe, ist z.B. Öffentlichkeit- und Pressearbeit für den Bereich Ehrenamtliche Bewährungshelfer.
AP: Wenn Du einen Probanden zum Gespräch hast, lässt Du auch mal Deine Tür offen, zur Sicherheit?
AB: Ganz ganz selten. Es kommt schon vor, dass jemand hier laut wird. Wenn ich weiß, ich habe ein schwieriges Gespräch vor mir, habe ich verschiedene Möglichkeiten. Variante eins: Ich spreche mit ihm im Foyer draußen. Variante zwei: Ich informiere meine Kollegen im Vorfeld und ich lasse die Tür offen. Wobei ich das nicht gerne tue – wir haben schließlich eine Schweigepflicht und draußen laufen immer wieder Menschen vorbei. Dritte Variante: Wenn ich durch den Flur laufe und mitkriege, dass jemand im Zimmer meiner Kollegin sehr laut ist, dann gehe ich natürlich hin. Es gab schon mal eine Situation, wo ich bei meiner Kollegin klopfte und sagte: „Du, ich habe da ein Fax für Dich“. Oder ich kann anrufen und fragen, ob alles in Ordnung ist. Also da schauen wir schon untereinander und geben aufeinander Acht.
AP: Seit wann bist Du Mentorin bei MOVE!?
AB: Ich denke seit 2012. Damals hieß es noch Zack.
AP: Was war für Dich die Motivation Mentorin zu werden?
AB: Mich bei MOVE! als Mentorin zu engagieren ist ein toller Kontrast zu meiner Arbeit. Hier arbeite ich hauptsächlich mit Männern. Bei MOVE! darf ich mit Frauen arbeiten. Hier habe ich immer Zwangskontext. Bei MOVE! habe ich mit Menschen zu tun, die motiviert sind, ihre Lage zu verändern. Auch dass ich als Mentorin mit solchen Themen wie Beruf, Berufung zu tun habe, ist eine schöne Abwechslung. Dann gibt es noch einen Punkt: im Arbeitsalltag koordiniere ich die ehrenamtlichen Bewährungshelfer. Bei MOVE! hatte ich die Chance bekommen, selbst die Position einer ehrenamtlichen Person kennenzulernen. Also quasi mich auf die andere Seite zu begeben und zu schauen, wie gehen die anderen mit ehrenamtlichen Mitarbeitern um. Ich konnte für meine Arbeit viel übernehmen.
Andersrum kann ich aber auch eine Fähigkeit nutzen, die ich mir in meinem Beruf erarbeitet habe: Erfahrung im Umgang mit schwierigen Fällen. Daher habe ich mich entschlossen, auch als Mentorin die ganz schwierigen Fälle zu übernehmen. Also Fälle, wo die Situation so kompliziert ist, dass nichts mehr geht.
AP: Was verstehst Du unter ganz schwierigen Fällen? Kannst Du mal ein Bespiel nennen?
AB: Klassisches Beispiel: eine Frau um die 50, unglücklich in ihrem Job und will ihr Hobby zum Beruf machen. Ihr Hobby ist Bücher lesen und draußen in der Natur sein. Die Mentee zeigt keine Bereitschaft, beispielsweise eine Zusatzqualifikation zu machen, ist jeglichen Vorschlägen gegenüber negativ eingestellt: Literatur und Wandern – nein, sie mag nicht mit anderen Menschen; Eine Zusatzausbildung zur Naturberaterin – eine weitere Ausbildung kommt nicht in Frage. Außerdem sind bei meinen Mentees häufig solche Themen wie Depression, Dauerkrankheit, unklare finanzielle Situationen im Spiel. In der Regel handelt es sich um eine Multiproblem-Lage.
AP: Kann man da überhaupt etwas bewegen?
AB: Na ja, nur wenn die Person selbst es will und mitarbeitet. Ich denke, in dem Moment, wo sie nach Hilfe über MOVE! suchen, wollen sie wirklich etwas verändern. Aber es ist ihnen vielleicht nicht so klar, dass es mit so viel Arbeit, Mühe und vielleicht mit Veränderung von sich selbst verbunden ist.
AP: Gibt es etwas, was Du Frauen auf Jobsuche oder in der Umorientierungsphase gerne sagen würdest
AB: Nie die Hoffnung aufgeben, es gibt immer einen Weg!
AP: Und wenn die Frau für die schwierigen Fälle das sagt, dann ist es so! Welchen ersten Schritt würdest Du Ihnen in diesem Zusammenhang empfehlen?
AB: Folge Deinem Herzen! Die Lösung ist schon Dir. Schaue Dich um, was Dir das Leben bietet, welche Menschen in Dein Leben kommen, welche Gelegenheiten sich auftun und greife nach denen! Sehen, was um Dich herum passiert.
AP: Vielen Dank für diesen spannenden und bereichernden Einblick in Deinen aufregenden Job!
Dieser Artikel entstand im Rahmen der Interview-Reihe 12 Monate – 12 Mentorinnen.
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