Monika lernte ich im März diesen Jahres kennen. Da ahnten wir beide noch nicht, dass unsere Pläne, uns unbedingt bald mal wieder zu sehen, erstmal Corona-bedingt auf Eis gelegt werden.

Im Oktober beschließen wir uns in dem Café „Gans woanders“ zu treffen, welches wir beide noch nicht kennen. Wie ich dann vor Ort erfahre, öffnete das Hexenhäuschen (wie der inoffizielle Name lautet) erst diesen Sommer. Denkbar die ungünstigste Zeit, ein Café zu eröffnen. Könnte man meinen. Trotzdem läuft es gut. Interessanterweise sprechen wir in den nächsten Stunden viel über „nicht aufgeben, vertrauen, dem Herzen folgen“. Ich glaube, da habe ich unbewusst die richtige Kulisse für unsere Themen gewählt.

Als ich ankomme, steht Monika schon vor dem Eingang. Wir gehen rein, holen uns erstmal Kaffee und suchen uns einen Platz ganz oben unter dem Dach in der Nähe vom Ofen. Das Feuer wärmt von außen, der Kaffee von innen.

Monika Rörig ist Coach, Trainerin für weibliche Führungskräfte und Geschäftsführerin von FOKUSwerkstatt. Sie stärkt Frauen darin, weiblich und intuitiv zu führen, Freude und Leichtigkeit in ihren Berufsalltag zu integrieren.

Vermännlichung der Frauen als Erfolgsinstrument, Kampf der Geschlechter und gegenseitige Manipulation hält sie für veraltet und nicht zielführend für eine gleichberechtigte Arbeitswelt. „Unserer Wirtschaft tut es gut, wenn wir Frauen uns trauen, Frauen zu sein. Und Frau zu sein heißt nicht, einen tiefen Ausschnitt zu tragen. Da steckt viel mehr dahinter. Unsere Wirtschaft muss intuitiver und weiblicher werden.“

Sie engagiert sich ehrenamtlich als Mentorin für MOVE! – Servicestelle in der Frauenakademie München und unterstützt Frauen in Phasen beruflicher Neuorientierung.

Arleta Perchthaler: Wie ist es Dir denn so ergangen in den letzten Monaten?

Monika Rörig: Für mein Business änderte sich durch die Pandemie nichts, weil ich sowieso das meiste online mache. Außerdem sind wir als Familie in einem Haus mit Garten, verstehen uns super – ich habe mich zu keiner Zeit eingesperrt gefühlt. Deshalb war der Lockdown für mich nicht so schlimm.

Aber das liegt auch an meiner Grundhaltung. Es passieren im Leben auch mal unschöne Dinge. Es kommt immer darauf an, wie schaue ich darauf. Fokussiere ich mich auf das Gute oder auf das Schlechte? Mein Talent ist es, im größten Drama das Positive zu sehen.

Ich sehe hier auch eine Verantwortung gegenüber meinen Kindern: Denen vorzuleben, wie ich damit umgehe, wenn etwas nicht so gut läuft. Daher versuche ich immer, aus einer nicht so tollen Situation das Beste zu machen. Wenn man die Perspektive wechselt, kommt man manchmal sogar zu dem Schluss, dass die unschönen Erlebnisse nötig waren, damit was Neues und manchmal richtig Gutes entstehen konnte. Mit dieser Einstellung lebt es sich leichter, entspannter und kreativer.

Manchmal muss man zum eigenen Glück gezwungen werden

AP: Damit hast Du auch etwas Erfahrung. Erzählst Du uns kurz, wie Du zu Deinem jetzigen Job gefunden hast?

MR: Oh, ja, das stimmt. Wer weiß, ob ich ohne dieses Drama selbständig geworden wäre.

Es war vor ein paar Jahren. Ich hatte schon über 10 Jahre im selben amerikanischen Technologie-Unternehmen gearbeitet und die Stimmung wurde immer schlechter. Es lag was in der Luft. Eine Veränderung und niemand wusste Genaues. In dieser Zeit ist plötzlich und unerwartet mein Vater gestorben. Am Tag der Beerdigung kam eine E-Mail vom CEO, dass das Unternehmen verkauft wird und vermutlich der Standort München geschlossen wird. Das hätte gereicht, mir den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Doch als Mama von 2 Kindern (damals Kindergarten und Grundschule) konnte ich mich nicht gehen lassen. Es musste weitergehen. Klar hatte ich Zukunftsangst, alles überlagert von der Trauer über den Tod meines Papas.

Gleichzeitig hatte ich ein Gefühl, als ob mir eine höhere Macht mit einem Hammer auf den Kopf schlägt und sagen würde: Monika, aufwachen. Mit Deinem Leben stimmt gerade massiv etwas nicht. Wach endlich auf…

Daraufhin suchte ich mir eine Coach. Im Coaching wurde mir vieles klar, ich sortierte mich neu. Das Coachen selbst fand ich außerdem so toll, dass ich es auch können wollte. Während ich noch auf die Kündigung wartete – das dauerte noch 8 Monate, in denen ich mehrere Kolleg:innen einarbeiten durfte – fing ich meine Coaching- und Mentaltrainer-Ausbildung an. Und ich liebte es! Mehr und mehr formte sich der Wunsch, selber als Coach tätig zu werden. Die Selbständigkeit war für mich die logische Konsequenz.

AP: Eine tolle Steh-Auf Geschichte! Dein Ansatz ist, Frauen darin zu stärken, weiblich und intuitiv zu führen, Freude und Leichtigkeit in ihren Berufsalltag zu integrieren. Du sagst nein zum Geschlechter-Kampf, plädierst aber für eine gleichberechtigte Arbeitswelt. Erklärst Du Deinen Ansatz an einem Beispiel?

Geschlechterkampf ist so was von Vorgestern!“

MR: Ich habe gerade eine Klientin, eine Bereichsleiterin, einzige Frau in der Abteilung, deutlich jünger als ihre männlichen Kollegen. Zwei der Kollegen „pinkelten ihr immer ans Bein“. Sie kam zu mir, weil sie, wie sie sagte, „nicht mehr in den Ring steigen will“. „Sie hat keinen Bock Miniröcke zu tragen und die Leute zu manipulieren.“ Aber das sind ja auch nicht die einzigen Erfolgsrezepte! Im Laufe des Coachings gab sie die Absichten auf, den anderen zu verändern und fing an zu überlegen, was SIE tun kann. Was passiert, wenn ich nicht mehr mit der Erwartung hingehe, ich muss mich einschleimen oder ich muss mit dem anderen kämpfen, sondern mit der Erwartung, ich und er ziehen an einem Strang? Hand in Hand. Weg vom Kampf. Dieser Perspektivenwechsel half ihr, dem Kollegen zu vermitteln, dass sie nicht sein Feind ist, sondern tatsächlich mit ihm zusammenarbeiten möchte. Wo sind Gemeinsamkeiten? Und das hat wunderbar funktioniert.

Mein Ansatz ist Miteinander statt Ego-Schaukeln. Einen Zugang zu den anderen suchen, statt mich aufzuführen oder auf die Barrikaden zu gehen. Man muss NICHT mit einer Axt durch den Wald gehen, um erfolgreich zu sein.

AP: Du strahlst so richtig, wenn Du über Deine Selbständigkeit sprichst. Hast Du Deine Berufung gefunden?

MR: Oh, ich mag dieses Wort nicht!

Ich lache. Diese Reaktion habe ich fast erwartet.

AP: Okay, dann lassen wir „Berufung“ in Anführungsstrichen stehen: Hast Du sie gefunden?

MR: Ja! Das habe ich, tatsächlich!

AP: Hättest Du von 10 – 20 Jahren gedacht, dass Coachen Deine Berufung sein wird?

Die Nuggets der Berufung

MR: Nein. Mein Papa war selbständig. Als ich nach meinem Studium mein berufliches Leben startete, beneidete ich jeden, der selbständig war. Ich dachte, selbständig zu arbeiten muss genial sein. Du machst, was Du für richtig hältst, Du teilst Dir Deine Zeit ein, wie Du es willst. Ich wollte immer selbständig sein! Ich wusste nur nicht mit was? Als Wirtschaftsingenieurin war ich Generalistin und keine Spezialistin. Ich kann nichts – dachte ich. In der Elternzeit 2007 und 2010 kam dieser Gedanke wieder besonders intensiv: Ah, das wäre ja toll, etwas Eigenes zu machen, nicht darauf angewiesen zu sein, ins Büro gehen zu müssen. Allerdings fehlte mir immer noch die zündende Idee.

Ich hatte anscheinend schon immer so ein Talent, anderen helfen zu können und war schon immer eine „Go-To“ Person. Es passierte immer wieder, dass jemand nach einem Gespräch zu mir sagte: „Wow, das habe ich noch nie jemandem erzählt“. Anscheinend strahlte ich Vertrauen aus. Ich konnte sehr schnell erkennen, wenn zwei Menschen nicht miteinander konnten. Auch wenn alle anderen es nicht sahen. Da hatte ich sehr feine Antennen dafür. Ich hatte das gespürt. Mir war es nicht bewusst, aber ich konnte bei Gesprächen solche Sachen sofort erkennen, wie: Der X ist die Nummer 1, der Y zieht aber die Fäden.

Aber dass es Fähigkeiten sind, die darauf hinweisen, dass ich das Zeug zum Coach habe, kam mir nicht in den Sinn.

AP: Interessant, dass so dieses „mit Menschen arbeiten“ sich anscheinend schon sehr früh bei Dir zeigte. Aus Gesprächen mit meinen Klienten und aus meiner eigenen Erfahrung habe ich den Eindruck, dass, wenn wir mit uns selbst achtsam und aufmerksam umgehen würden, wir ganz früh die Anzeichen dafür erkennen würden, was uns liegt, was die eigene Passion oder vielleicht Berufung ist.

MR: Ja! Definitiv!

AP: Würdest Du sagen, um Deinen aktuellen Job zu machen, brauchtest Du alle bisherigen Stationen? Oder gibt es die eine oder andere Erfahrung, bei der Du sagst, dass hätte ich mir sparen können?

MR: Es gab Phasen, wo ich die Menschen beneidete, die mit Mitte 30 genau wissen, was sie im Leben machen wollen. Ich fragte mich immer mal: musstest Du so alt werden, um herauszufinden, was das Richtige für Dich ist? Jetzt schaue ich von einer anderen Seite darauf und sage: „Ich bin so dankbar, dass ich meine Aufgabe im Leben kenne. Lieber jetzt als gar nicht!“ Um die Person zu sein, die ich heute bin, hat es die Erfahrungen gebraucht, die ich bisher gemacht habe.

Die ganzen IT-Erfahrungen, alle Schritte am Anfang meiner Selbständigkeit, manches teure Lehrgeld, welches ich gezahlt habe … Aus all diesen Schritten habe ich etwas gelernt.

Aus jeder schwierigen Situation kannst Du etwas lernen

AP: Was war die schwierigste Erfahrung, aus der Du das meiste gelernt hast?

MR: Das fällt mir jetzt spontan nicht DIE Erfahrung ein. Einmal hatte ich in ein teures Mentoring investiert. Die Krux war, dass die Mentorin mich als Mensch nicht gesehen hatte. Sie hatte ihr Modell „X“ und wollte mich da hineinpressen. Bei mir kam der typisch weibliche Denkfehler auf: „Mit mir stimmt was nicht“. Was natürlich Blödsinn ist. Mit mir ist alles in Ordnung, ich bin voll in Ordnung, meine Mentorin ist voll in Ordnung, nur das Schema X hat nicht für mich gepasst. End of story.

Das Mentoring habe ich frühzeitig abgebrochen. Habe ich das Ganze bereut? Ich habe unglaublich viel und Wertvolles über mich gelernt, das mir jetzt wieder in meiner Arbeit hilft.

Generell finde ich, selbständig zu arbeiten ist das größte Persönlichkeitsentwicklungsprogramm überhaupt. Am Anfang der Selbständigkeit dachte ich, wenn ich Jahresumsatz Y habe, bin ich angekommen. Inzwischen weiß ich, dass das nicht stimmt. Es ist ein Weg. Der Weg ist das Ziel und das finde ich grandios. Weil ich mich immer besser kennenlerne und dadurch als Coach immer besser werde. Weil es eine sinnstiftende Reise ist, die noch dazu unglaublich viel Freude bereitet. Seit ich selbständig arbeite, habe ich so viel mehr bewegende und erfüllende Begegnungen mit Menschen. Das ist einfach nur bereichernd und ich bin unglaublich glücklich und dankbar darüber.

Ich erlaube mir immer mehr, genauso zu sein, wie ich bin und so komme ich am besten an. Deswegen ist für mich zum Beispiel das konsequente Duzen wichtig – das andere funktioniert für mich nicht.

Wir glauben so viel Mist und wundern uns, dass wir im Leben nicht vorankommen

AP: Nenne mal einen Glaubenssatz, der Dich auf Deinem Weg am stärksten behinderte?

MR: Nur einen?

AP: Ha ha, okay, nenne mal drei.

MR: Ich hatte früher so einen Glaubenssatz: „Wenn es zu locker ist, ist es nicht professionell.“ Aber heute habe ich den Anspruch an meine Arbeit, dass sie Spaß macht, dass es leicht und locker ist. Und es ist trotzdem professionell! Am Anfang kriegte ich das nicht in meinen Kopf hinein. Da gehörten solche Gedanken dazu, wie: Wenn es professionell sein soll, dann muss ich siezen, mich gewählt ausdrücken, ernst sein… Das ist mir jedoch viel zu schwurbelig und zu anstrengend! Außerdem wenn ich ernst bin und nicht mehr lache, dann habe ich eine Ausstrahlung wie ein Sch…haus! Heute sage ich mir: Ich darf locker sein und richtig Spaß haben und es ist trotzdem professionell. Genauso wie ich bin, bin ich richtig. Authentizität ist schon immer mein großes Thema gewesen.

Dieses „Sei wie du bist“ ist gar nicht so einfach. Man muss es auch aushalten. Da hineinwachsen. Mir bewusst erlauben so zu sein, wie ich bin.

AP: Wusstest Du schon immer, wie Du bist?

MR: Jein. Ich versuchte immer wieder, anders zu sein. So plakativ: Ich glättete früher meine Haare. 2005 sagte mir meine Friseurin, die Haare müssen zum Typ passen. Sie überzeugte mich, zu meinen Naturlocken zu stehen. Mit ihr begann meine Persönlichkeitsentwicklung und das Sich-bewusst-machen, was zu mir gehört und wie ich bin.

Als Angestellte dachte ich, ich bin zu weich für diese Welt. Ich dachte, es wäre eine Stärke, den Menschen knallhart zu sagen, was ich denke. Und eine Schwäche, dass ich das nicht gerne mag. Ich versuchte so taff wie andere zu sein. Aber das funktionierte für mich nicht. Bis ich erkannte, dass es eine unglaubliche Stärke ist, auf verständnisvolle, gewaltfreie Art zu kommunizieren. Ich kapierte, dass ich mit dieser Art schon immer meine Ziele erreichte und dass ich nicht erfolgreicher wäre, wenn ich verbrannte Erde hinterlassen hätte.

Das Bewusstsein für die eigene Persönlichkeit wird aber auch selten gefördert. Ein Satz, den ich in meiner Kindheit oft hörte, war „Gib nicht so an“. Dabei war das gar nicht mein Ziel, wenn ich auf die Frage einer Verwandten „Wie war Dein Zeugnis?“ antwortete. Wenn ich sagte, ich habe 6 Einser und der Rest Zweier, dann kamen meine älteren Geschwister: „Ey, Moni, gibt nicht so an!“ Ich hatte doch nur auf eine Frage geantwortet. Darf ich nicht auf meine Leistungen stolz sein? Das bremste mich total aus. Im Studium und im Job musste ich erst wieder lernen, auf meine Erfolge stolz zu sein. Selbstbewusst über Erfolge zu sprechen hat nichts mit Überheblichkeit zu tun. Das war ein großes Learning für mich. Damit wuchs nach und nach das Bewusstsein dafür, was mich ausmacht, wer ich bin.

Berufung ist das, was Dich ausmachst, die Gabe, die Du hast“

AP: Du magst das Wort Berufung nicht. Was ist die Bezeichnung, die Du bevorzugst? Und was ist für Dich Berufung?

MR: Berufung ist schon das richtige Wort, aber es wird so inflationär benutzt. Deswegen mag ich es nicht so gerne.

Berufung bedeutet für mich in meinem Beruf meine Essenz, meine Talente, ausleben zu können. Berufung ist das, was Dich ausmachst, die Gabe, die Du hast. Und jeder Mensch hat Gaben, mit denen er von Geburt an ausgestattet ist. Berufung ist, wenn Du diese Gaben perfektionierst, weiterentwickelst und anderen damit Gutes tust.

AP: Nach Deiner Definition hat jeder Mensch so etwas wie eine Berufung. Und jeder kann sie auch finden.

MR: Ja, definitiv. Wenn er/sie bereit ist, Trüffelschweinchen zu spielen. Wenn er/sie bereit ist, den Weg zu gehen. Wenn er/ sie bereit ist, sich nicht durch Ratschläge anderer Menschen von den eigenen Träumen abbringen zu lassen.


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Ich erzählte mir mein ganzes Leben: „Ich weiß nicht, was ich will, ich weiß nicht, was ich will.“ Genau das passierte mir dann, ich habe es mir eingeredet. Anstatt mich auf die Suche nach Antworten in mir selbst zu machen. Das kann aufwendig sein, jedoch lohnt es sich.

AP: Interessanter Blickwinkel: „Ich weiß nicht, was ich will“ als einen Glaubenssatz zu sehen, der eine selbsterfüllende Prophezeiung wird.

MR: Ja, wenn ich mir sage, ich bin zu doof, dann richte ich meinen Fokus auf alles, was mir diesen Gedanken bestätigt.

AP: Allerdings. Ich habe auch jahrelang gesagt, ich weiß nicht, was ich will. Aber wenn ich ehrlich mein bisheriges Leben betrachte, dann wusste ich immer genau, was ich will. Ich wollte etwas und tat es dann auch. Niemand zwang mich zu irgendetwas. Und wenn ich aufhörte es zu wollen, wenn sich meine Interessen änderten, dann suchte ich mir etwas anderes. Auf die Art wechselte ich ein paarmal den Beruf. Aber ich redete mir eigentlich die ganze Zeit etwas ein, was nicht stimmte: Dass ich nicht weiß, was ich will. Weil ich den Erwartungen anderer entsprechen wollte. Ich dachte, mein Umfeld missbilligt meinen ständigen Wechsel. Daher wünschte ich mir einen Job, der mich bis zur Rente zufrieden macht. Das Doofe ist, ich bin ein vielseitig interessierter Mensch. In allen meinen bisherigen Jobs lebte ich meine Interessen aus. Der Satz, der meine Realität in der Zeit gespiegelt hätte, wäre: „Ich weiß, was ich will und das sind so viele Dinge und das ist gut so und deswegen mache ich sie nacheinander“.

MR: Guter Punkt. Mir ist das auch irgendwann bewusst geworden, dass ich immer erreiche, was ich will. Ich wollte in den USA studieren zum Beispiel und ich fand einen Weg, das zu tun.

Effektiv, wenn ich ein klares Ziel habe und eine Entscheidung treffe, dann ergibt sich der Weg. Vielleicht ist das die Krankheit unserer Zeit, dass wir alle Möglichkeiten haben und damit viele total überfordert sind?

AP: Qual der Wahl. Vor Generationen übernahm der Sohn das Geschäft vom Vater, welches der von seinem Vater erbte und da gab es keine Diskussionen. Die Frauen kümmerten sich um die Kinder und Haushalt. Die früheren Generationen hatten ein Ziel im Leben: Das Überleben ihrer Familie zu sichern. Unser Überleben ist gesichert. Wir haben schier unendliche Möglichkeiten und das überfordert uns häufig…

MR: Scheiß Emanzipation, oder? (Ironie *)

Wir lachen!

MR: Ich glaube, vielen Menschen stehen die gesellschaftlichen Glaubenssätze im Weg: „Mit Fünfzig kannst Du nicht anderes mehr machen“, „Wenn Du x studiert hast, muss Du xy machen“, „Arbeite angestellt, dann bist Du in Sicherheit“

AP: …die teilweise de facto obsolet geworden sind, in den Köpfen funktionieren sie aber immer noch. Wie die Sicherheit im Angestelltenverhältnis. Wo hat man denn da bitte heute noch Sicherheit?

MR: Genau. Welche Sicherheit?

Wir lachen wieder, weil jede von uns inzwischen gelernt hat, mit einer gewissen Unsicherheit im Leben gut zurecht zu kommen. Wir unterhalten uns noch eine weitere Stunde im Hexenhäuschen über persönliche Herausforderungen, Zukunftspläne, Träume und das Leben. Und verabschieden uns zum zweiten Mal dieses Jahr mit einem festen Vorhaben, uns bald wieder zu sehen.


Dieser Artikel entstand im Rahmen der Interview-Reihe 12 Monate – 12 Mentorinnen.

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